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Zu vermieten

Written by grauhut

Denken Sie daran ihre Schultern zu benutzen, um die Sehnen im Oberarm nicht zu sehr zu strapazieren. - Betrieb vernetzter Rechenanlagen, Kapitel 10, Wartungswerkzeug und seine Anwendung


Der Vorstand hat in seiner gesammelten Weisheit den Entschluss gefasst das Gebäude zu modernisieren. Und wenn ich modernisieren sage, meine ich nicht, dass der Geschäftsführer die Vertäfelung in seinem Büro nicht mehr aktuell genug findet, denn tatsächlich hat die Anzugfront beschlossen auch die Etagen des arbeitenden Teils der Firma zu sanieren - und dabei die Nutzer nach ihren Wünschen gefragt. Das verlief entsprechend den Erwartungen, die man an Leute hat, die Schwierigkeiten haben sich ohne schriftliche Anleitung zu erkälten - auch weil sie YouTube nicht verstehen und sich daher kein How-To Video anschauen können.

Eigentlich interessieren mich Änderungen dieser Art in etwa so sehr, wie der durchschnittliche Lizenzvertrag für Software, aber die meisten Nutzer scheinen mit einer Unterbringung in den unteren Geschossen der Firma nicht mehr zufrieden zu sein, sodass eine Restrukturierung im Gespräch ist. Das ist nicht gut.

Als ich gegen Nachmittag ins Büro komme, beschäftigt Jessy gerade mit einem kleinen Stück Hardware, die aussieht wie ein Einzugsscanner. Mit Interesse verfolge ich, wie ein Blatt darin verschwindet und kaum eine Sekunde später ein gleichmäßiges Brummen ertönt, das vermutlich von den Messern des Aktenschredders herrührt, der tatsächlich in dem Gehäuse steckt. Nach einen Kaffee und zwei Runden eines bekannten Onlineshooters, schalten wir die Telefone wieder ein und prompt kommt der erste Anruf herein.

“Cateringservice” meldet sich Jessy.

“Hallo, hier is… Oh. Falsch verbunden.” murmelt der Nutzer und legt auf. Der Monitor zeigt an, dass er nicht mal genug technische Kompetenz hat um seine Schnürsenkel selbst zu binden. Wenige Sekunden später klingelt erneut die Rufgruppe und ich nehme ab.

“Facility Management, Schabinski, guten Tag.” sage ich in einem leichten Berliner Akzent.

“Hier…” Der Anrufer hält Inne und versucht seine Gedanken offenbar neu zu sortieren. “Wer ist dort?” fragt er schließlich.

“Facility Management. Was kann ich für sie tun?” frage ich professionell.

“Tschulding. Falsch verbunden.” sagt der Anrufer, nachdem er zweifelsohne die Rufnummer nochmal geprüft hat.

Auf der Kameraüberwachung des Flurs ist zu sehen, wie er sich zu den Fahrstühlen begibt, um uns mit seiner persönlichen Anwesenheit zu beehren. Seltsamerweise fährt der Fahrstuhl in den Keller und verharrt dort mit geschlossener Tür im Wartungsmodus.

Währenddessen widme ich mich dem nächsten Anrufer. “System- und Netzwerkbetreuung, was kann ich für sie tun?”

Sie nennt ihren Namen, aber ich konzentriere mich auf das Display. Offenbar ist es die Assistentin eines aufgeblasenen Kerls aus der Werbeabteilung.

“Hallo” flötet sie ins Telefon. “Mein Chef hat Probleme mit seinem Telefon.”

“Könnten Sie das genauer beschreiben?” frage ich, obwohl ich die Antwort bereits kenne. Damit unsere Nummern nicht auf einem toten Apparat enden, habe ich die Anrufe auf seinen weitergeleitet. Vielleicht haben ihm die 26 Anrufer der letzten beiden Stunden zu verstehen gegeben, dass es Wichtigeres gibt, als die RAM Aufrüstung seines Notebooks.

“Er bekommt schrecklich viele Anrufe und regt sich seit einer Stunde darüber auf.” sagt sie sichtlich nervös.

“Haben sie schon ein Ticket bei uns eröffnet?”

“Ja, er hat es vor fast eineinhalb Stunden geschrieben.” jammert sie.

Ich rufe das Ticket der Ordnung halber auf. Es enthält einige Worte, die nicht ganz der Firmenrichtlinie zur internen Kommunikation entsprechen. Ich überlege kurz, bevor ich seine Nummer dem Faxnummernpool zuordne.

“Ich habe mir die Situation angesehen. Er sollte keine Anrufe aus dem Haus mehr erhalten.”

“VIELEN DANK!” ruft sie erleichtert.

Währenddessen klopft es an der Tür. Es scheint so als ob der Nutzer seinen Weg zu uns gefunden hat.

Jessy lässt ihn ein.

“Ihr Telefon muss defekt sein.” keucht er.

Ich schüttele den Kopf und rufe testweise Jessy an, deren Telefon sofort klingelt.

“Wie sie sehen funktioniert alles wie es soll.” erkläre ich. “Aber was kann ich für sie tun?”

“Ich bin der neue Umzugskoordinator für die Restrukturierung im Haus.” Dabei hebt er leicht das Kinn. “Ich wollte mit ihnen die Notwendigkeiten für den Umzug der Finanzabteilung in den neunten Stock klären.”

“Nun…” setze ich an “Dafür müssen wir eine Reihe neuer Router und Switche anschaffen, da die Abteilung dann höher liegt und die alten Geräte es nicht mehr schaffen die Daten so hoch zu befördern. Das wird so um die 120.000 Euro kosten.”

“120.000 Euro?” ruft der Kauz verdutzt. “Aber das muss aus dem Budget der Abteilung bezahlt werden!”

“Nehmen sie das erstmal so mit.” sage ich. “Wir schauen ob wir eine Alternative erarbeiten können. Haben Sie denn schon die Kollegen aus dem neunten Stock informiert?” frage ich vorsichtig.

“Nein. Das ist ein Sicherheitsbereich der Produktentwicklung, zu dem ich keinen Zutritt habe.” erklärt er. “Ich werde mich morgen beim Leiter der Abteilung erkundigen.”

Erleichtert atme ich auf, als er das Büro endlich verlässt. Jessy blickt auf.

“Was ist im neunten Stock?” fragt sie.

“Der Sicherheitsbereich der Produktentwicklung.” erkläre ich.

“Und was ist wirklich im neunten Stock?” fragt sie penetranter und rollt mit den Augen.

Ich hole hörbar Luft. “Lange bevor du hier angefangen hast, gab es eine Umstrukturierung im Haus. In diesem Rahmen habe ich meinen Zugriff auf die Internethistorie des Abteilungsleiters der Produktentwicklung genutzt, um ihn um einen kleinen Gefallen zu bitten.”

“Was für…“

“Erinnerst du dich, dass wir intern Technik beschaffen mussten, weil der Handyempfang im Gebäude nicht besonders gut ist?”

“Ja.” sagt sie. “Das war kurz nachdem ich begonnen habe hier zu arbeiten, oder?”

“Ja. Ich habe die neunte Etage an einen Mobilfunkprovider vermietet, der sie als Antennenstandort verwendet. Daher haben wir im Gebäude selbst keinen besonders guten Empfang. Außerdem vermiete ich Ihnen die Leitungskapazitäten um die Stationen anzubinden.”

“Und das ist nie aufgefallen?” fragt sie mit aufgerissenen Augen.

“Naja… Vor einigen Jahren ist eine Richtfunkantenne umgekippt und bei mehr als 25% Bandbreitennutzung begann der Kaffee in der Etage darüber in den Tassen zu kochen. Aber abgesehen davon hat niemand Fragen gestellt. Der Abteilungsleiter ist hier nicht mehr beschäftigt, nachdem sein Browser versehentlich eine der besuchten Seiten auf dem Drucker der Geschäftsführung ausgab. Und da es keine Aktenvermerke dazu gibt…“

“Und was tun wir jetzt? Er wird es morgen dem Abteilungsleiter sagen und dann ist alles verloren.”

“Nicht unbedingt.” sage ich verschwörerisch. “Update die Personaldatenbank und weise dem Abteilungsleiter einen neuen Parkplatz am Frachtaufzug zu. Wegen Bauarbeiten, soll er sein Auto bitte sofort umstellen.”

“Und dann?”

Am nächsten Morgen steht völlig unterwartet bereits die Polizei vor dem Gebäude. Wir kämpfen uns durch den Auflauf in der Lobby und nehmen in unserem Büro platz. Nach einigen Minuten klingelt das Telefon.

“System- und..” ich werde von unserem Anrufer unterbrochen.

“Kommen sie bitte in den neunten Stock.” ruft der Chef und legt sofort auf.

Als wir ankommen, sind mehrere Beamte damit beschäftigt die Tür zur Abteilung zu untersuchen, die offenbar auf dem Rahmen gesprengt wurde. Wir betreten die Etage und stehen auf einer leeren Fläche, auf der der Chef mit dem Leiter der Produktentwicklung, zwei Beamten, einem Anzug und irgendjemandem aus der Geschäftsführung diskutiert.

“Und sie haben keine Liste was genau entwendet wurde?” fragt der Polizist verwundert.

“Nein.” beteuert der Produktentwickler.

“Das bedeutet” werfe ich ein “dass sie uns nicht sagen können, ob und was hier gearbeitet wurde?” frage ich.

Ihm dämmert, dass er sich in eine schwierige Lage manövriert hat, als der Anzug und die Frau aus der Geschäftsführung ihn kritisch anschauen.

“Mein Vorgänger hat keine Aufzeichnungen hinterlassen!” beteuert er. “Aber hier muss überall Messtechnik gestanden haben. Sehen sie die ganzen elektrischen Anschlüsse und Leitungen. Haben sie keine Aufzeichnungen darüber?” wendet er sich an mich.

“Natürlich. Auf dieser Etage wurden vollautomatisierte Tests an der Hard- und Software unser Produkte vorgenommen.” erkläre ich. “Was ist denn genau passiert?”

Der Polizist räuspert sich. “Es hat einen Diebstahl gegeben. Offenbar haben die Diebe die Tür des Lastenaufzugs aufgebrochen und dann diese hier aus dem Rahmen gesprengt. Im Anschluss wurde alles Material entwendet.”

“Das ist eine Katastrophe” jammert der Anzug. “Wenn unsere Konkurrenz diese Daten in die Finger bekommt, wären Jahre der Forschung für die Katz.”

“Deckt unsere Versicherung das nicht ab?” fragt die Dame aus der oberen Etage den Anzug, der scheinbar zu den Firmenanwälten gehört.

“Natürlich.” nickt dieser.

“Und sind die Daten nicht verschlüsselt?” wendet sie sich an mich, wobei Jessy und ich unison nicken.

“Dann sollten wir erstmal nichts mehr zu befürchten haben.” seufzt sie. “Klären sie das mit der Versicherung.”

Sie wendet sich an den Chef. “Ihre Abteilung stellt eine Liste des Equipments zusammen das entwendet wurde. Beschaffen Sie alles Notwendige und installieren Sie die Technik in der Etage unter der Geschäftsleitung.” befiehlt sie.

“Aber… da sitzen aktuell wir!” ruft der Produktentwickler.

“Aber die Etage kann besser angeschlossen werden und der Frachtaufzug reicht nicht bis in dieses Stockwerk. Außerdem wurde auf den oberen Etagen vor einigen Monaten eine komplette Kameraüberwachung eingebaut. Sie ziehen hierhin um.”

Sie dreht sich auf dem Absatz um.

“Stellen sie die Liste zusammen.” seufzt der Chef und folgt ihr speichelleckend.

Wieder in unserem Büro rufe ich den Provider an und berichte Ihnen von dem Einbruch.

“Und was passiert jetzt?” fragt Jessy noch etwas verwirrt.

“Der Provider wird einen Scheck seiner eigenen Versicherung erhalten, aber kein neues Equipment kaufen. Stattdessen wird er es von uns mieten, da wir gerade die neuste Technik einkaufen konnten und einen besseren Antennenstandort anbieten können.”

“Wird der Kauz aus der Produktentwicklung nicht herausfinden, dass auf der Etage gar keine Arbeit stattfindet?”

“Erstens müsste er dazu einen Vermerk haben, dass die Etage zu seiner Abteilung gehört” sage ich und lasse ein Dokument in den Aktenschredder gleiten “und zweitens ist er vermutlich nicht mehr hier beschäftigt.”

“Meinst du sie haben die Technik im Kofferraum seines Wagens schon gefunden?”

“Es gab einen anonymen Tipp beim Wachdienst.” sage ich und grinse. “Und dank deines Updates von heute Morgen, gibt es keinen Hinweis darauf, dass er einen neuen Parkplatz zugewiesen bekommen hat.”

Neues Equipment, bessere Verdienstmöglichkeiten und Geld für einen besseren Backbone. Man kann mit Netzwerken eben doch Geld verdienen.

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