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Bandsalat

Written by grauhut

Der Begriff "Power over Ethernet" definiert nicht zwingend die auf dem Kabel anliegende Spannung.


“Wann ist das denn passiert?” fragt Jessy verwundert als sie kurz vor zehn im Büro erscheint. Der Chef steht in seinem Büro und packt einen Umzugskarton, während einer der Hausmeister das Schild von seiner Tür abschraubt.

“Ich denke sein letztes Mitarbeitergespräch mit dem IT Leiter ist zu seinen Ungunsten verlaufen.” sage ich wissend. “Es ist möglich das seine Entscheidung, künftig Magnetbänder anstelle von Festplatten einzusetzen, dazu beigetragen hat.”

“SEINE Idee?” und sie deute mit den Händen Anführungszeichen an.

“Nun. Er hat es unterschrieben. Ich meine mich zu erinnern beiläufig erwähnt zu haben, wie viel Geld man sparen könnte, wenn man auf ein Medium mit so hoher Speicherdichte und so geringen Kosten pro Einheit umsteigt.”

Sie fixiert die Monitoringkonsole. “Daher die Warnungen über die erhöhten Zugriffszeiten des Datenbankservers. Ist schon bekannt wer ihn ersetzt?”

“Das sind Informationen der Personalabteilung und vertraulich.” sage ich deutlich.

Sie quittiert die Aussage mit einem abwertenden Blick nebst Augenrollen.

“Natürlich musste ich heute Morgen Wartungsarbeiten an der Personaldatenbank vornehmen, um den Grund für die unerklärlichen Geschwindigkeitseinbrüche zu finden.”

“Uuuhuuuu.”

“Es ist ein alter Freund des neuen IT Chefs. Sie kennen sich noch aus der Zeit als Computer mit Dampf betrieben wurden.”

“Also dürfte er ähnlich kompetent sein?”

“Ich nehme es an. Wir werden es nächste Woche sehen. Jetzt hilf mir erst einmal die Daten wieder auf die Festplatten zu synchronisieren. Danach lagern wir die Bandlaufwerke und die teuren Bänder, für die es offiziell keine Unterlagen mehr gibt, erst einmal ein.”

Wir verbringen eine Woche mit dem Umziehen von Daten, einlagern des nicht mehr gebrauchtem Equipments und einer neuen Backupstrategie.

“Und das ist ihr neues Team.” erzählt ein Kauz aus der Personalabteilung, als er unser Büro betritt und in unsere Richtung gestikuliert.

“Guten Tag.” sagt nach Nachfolgemodell mit fester Stimme. Der Ton und der Anzug, nebst bunter Krawatte, welche ihn wohl lockerer erscheinen lassen soll, geben den Gesamteindruck eines Gebrauchtwagenhändlers ab. Passend wenn man sich mit seinen bisherigen Beschäftigungsverhältnissen auseinandergesetzt hat.

Wir wechseln einige freundliche Worte und überlassen ihn dem Personaler, der ihn in sein neues Büro führt und ihm das Begrüßungspaket der Firma überreicht: Eine metrische Tonne Formulare und seine Zugänge. Eine halbe Stunde später steht er in unserem Büro.

“Mein Passwort scheint nicht zu funktionieren.” jammert er.

Ich tippe ein wenig herum. “Sie haben das Accountfreigabeformular noch nicht unterschrieben. Das passiert normalerweise hier im Büro. Scheinbar hat der Personaler es vergessen.”

Ich ziehe ein Formular hervor, er unterschreibt es und ich händige ihm neue Zugangsdaten aus. Nach seinem Abgang wirft mir Jessy einen herabwürdigenden Blick zu. “Wie ein Schaf zur Schlachtbank. Ist das nicht etwas zu einfach?” murrt sie.

“Im Krieg ist alles erlaubt. Hast du das Script fertig?”

“Ja. Soll ich…“

“Wir haben die Unterschrift. Per Cron Job. Heute Nacht.”

“In Ordnung.”

Am nächsten Morgen gibt es einen kleinen Auflauf. Pandemie bedingt findet dieser in unserem Ticketsystem statt, wo sich einige Poweruser über das veränderte Layout der internen Webseiten echauffieren. Ich muss zugeben, dass die Umsetzung nicht ganz einfach war, aber Werbeanzeigen im Intranet und dem Ticketsystem einzublenden ist finanziell lohnenswerter, als ich ursprünglich angenommen hatte.

“System- und Netzwerkbetreuung.” flöte ich in den Apparat.

“Hier ist die PR-Abteilung. Wir haben ein Problem mit der Firmenwebseite. Ich glaube wir wurden gehackt.”

“Haben Sie das Passwort wieder vergessen?” frage ich und knüpfe damit an eine ganze Serie von Hackerangriffen an.

“Nein.” entgegnet die Stimme beleidigt. “Aus irgendeinem Grund werden Werbeanzeigen eingeblendet.”

“Das gehört zu unserer neuen Strategie zur Wertschöpfung interner Arbeit und Nutzmaximierung des verfügbaren Stammkapitals.”

Das Loch gähnender Ahnungslosigkeit, welches ich aufgerissen habe, dehnt sich mit jeder Sekunde der Stille in der Leitung weiter aus.

“Aha.” klingt es nach einigen Sekunden wissend vom anderen Ende. Dann wieder Stille.

“Ich denke wir können so arbeiten.” sagt die Stimme schließlich und legt auf.

Jessy, die mitgehört hat, schnaubt. “Nicht jeder wird sich so einfach aufs Kreuz legen lassen. Die Leute werden Fragen stellen. Spätestens wenn der neue Chef herausfindet, dass er die Freigabe dafür erteilt hat, sind wir fällig.”

“Viel zu lernen du noch hast.” imitiere ich eine Stimme aus einer bekannten Filmreihe.

Tatsächlich können wir die Mehrheit der Anfragen abwiegeln, aber einige höhere Angestellte der Firma, die sich notorisch um die Regeln - wie die Verwendung des Ticketsystems für Anfragen an die IT Abteilung - drücken, haben den Chef direkt kontaktiert. Ahnungslos wie er ist, beschließt er der Sache auf den Grund zu gehen.

Wir beenden gerade eine Runde Overwatch, als er das Büro betritt.

“Sagen Sie…” fragt er in einem informellen Ton. “Warum werden auf internen Seiten Werbeanzeigen eingeblendet?”

“Das ist Teil der neuen IT Strategie zur Wertschöpfung von IT Ressourcen. Ich glaube Ihr Vorgänger hat das mit Segen des IT Chefs angestoßen.” sage ich unschuldig. “Die Bonuszahlungen in der IT sind an das Budget der Werbeeinnahmen gekoppelt worden um eine bessere Uptime zu erreichen.”

Er denkt kurz nach. Als er erkennt, dass sein Jahresbonus davon abhängt, nickt er kurz, murmelt “Ich kümmere mich darum.” und wackelt davon.

Jessy schaut ihm ungläubig hinterher. “Das… das kann doch nicht wirklich so einfach sein. Er führt den ganzen Kampf mit den Abteilungsleitern für uns!?” ruft sie erstaunt aus. “Er hat es nicht einmal geprüft.”

“Warum sollte er auch, wenn es ein Vorgänger angeordnet hat?”

“Weil sein Name auf der Anordnung steht?” fragt sie spitz.

“Nun… dazu müsste er die Anordnung lesen, oder?” lächele ich.

“Aber das wird jemand herausfinden und ihn darauf hinweisen.”

“Sicherlich. Wenn er bis dahin noch hier arbeitet.” nicke ich wissend und melde mich von einem Server ab.

Sie sieht mich forschend an, als das Telefon klingelt.

“Netzwerk und Systeme” ruft sie leicht säuerlich in den Hörer.

“Hier ist die Finanzabteilung. Wir benötigen ein Backup der Immobiliendatenbank. Es gab scheinbar ein Problem und die Daten sind zerstört.” krächzt einer der Erbsenzähler ins Telefon.

“Natürlich. Ich schicke es direkt rauf.” sagt sie, wieder bei bester Laune.

Im Zuge der Bandlaufwerkaffäre hat eine Anordnung den Weg zu uns gefunden, keine Bänder mehr zu verwenden. Als gute Mitarbeiter, haben wir die neue Regelung buchstabengetreu umgesetzt, sodass Jessy einen Stapel aus mehreren hundert Disketten in eine Schuhschachtel steckt und der Hauspost überlässt.

Eine Dreiviertelstunde später sind alle Zeichen eines anrollenden Sturms zu sehen, als der IT Chef in unserem Büro erscheint.

“Warum ruft mich der CFO an und sagt, Sie hätten das Backup sabotiert?” faucht er.

“Nun…” setze ich an und halte eine Kopie der Email hoch, welche er letzte Woche verschickt hat. “Wir waren gezwungen auf ein anderes, transportables Medium auszuweichen, nachdem Sie letzte Woche die Verwendung von Magnetbändern untersagt haben. USB Sticks sind verboten und andere Datenträger UV empfindlich, sodass nur diese Option blieb.”

Der IT Chef läuft rot an. Er weiß, dass er dafür verantwortlich gemacht wird, wenn die Datenbank noch länger ausfällt. Von den Überstunden für das Einlegen und Auslesen einiger hundert Disketten ganz zu schweigen. Ihm bleibt keine Wahl, wenn er nicht möchte, dass die Anordnung den Weg auf den Schreibtisch des CFO findet.

“Lösen sie das Problem! Und setzen sie wieder anständige Backupmedien ein!” befiehlt er und denkt über seinen Jahresbonus, den Firmenwagen und eine Zukunft ohne Kreditkarte nach, während er aus dem Büro rauscht.

“Und jetzt?” fragt sie.

“Endspiel.” antworte ich, als der Chef, der scheinbar noch vor uns Opfer des Sturms wurde, hereinkriecht.

“Wir müssen etwas mit dem Backup unternehmen.” jammert er in gestressten Ton und besorgter Miene.

“Natürlich.” sage ich. “Wir haben gerad ein günstiges Angebot bekommen. Was wissen sie über die Vorteile von Bandlaufwerken?”

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